Rund 150 Zuhörer kamen zum 2. Vortrag von Roland Schimmelpfennig im Rahmen der zweiten Poetikdozentur für Dramatik in den Festsaal des Saarbrücker Rathauses. Nach einer genauen Analyse der Auftaktszene von Shakespeares Hamlet konzentrierte sich Schimmelpfennig auf die Erläuterung seines Verständnisses vom Theater als einem Ort des Dialogs:
„Ein Stück ist eine Komposition, verdichtete Sprache, es ist also eine Festlegung, eine Vorlage, aber es ist gleichzeitig auch ein Gesprächsangebot, und die Regisseure und die Schauspieler und alle anderen Beteiligten können dieses Angebot annehmen und weiterführen. Der Autor muss zuhören können, wenn er über die Welt schreiben will, in der er lebt – er hört zu, und dann antwortet er, seine Antwort ist der Text. Diese Antwort ist der erste Schritt des Dialogs, den ich meine. Denn wenn die Theatermacher wiederum zuhören, was der Text zu sagen hat, und wenn dann die Theaterleute in ihrer Weise schließlich auf den Text mit ihrer Aufführung antworten, ist das ein weiterer Teil des Dialogs. Der nächste Schritt. Denn diese Antwort, die Aufführung, geht raus ins Publikum und die Welt, und dort setzt sich der Dialog dann immer weiter fort – und so kann – nicht, dass es immer funktionieren würde, nein, keineswegs – aber so kann manchmal in glücklichen Momenten auf spielerische Weise etwas wirklich Großes und sehr Kompliziertes entstehen: nicht mehr und nicht weniger als ein gelungener Dialog.“
Nach einer Reflexion über die Bedeutung (sprachlicher und außerliterarischer) Bilder für das Theater kehrten Schimmelpfennigs Überlegungen zurück zum Kern des Vortrages, zu seinem leidenschaftlichen Plädoyer für das Theater als Ort des Austausches zwischen mündigem Publikum, Autor, Regie und Schauspielern, als Angebot zur Kommunikation und Selbstreflexion, wie sie jede Gesellschaft dringlich bedarf:
„Wenn wir Autoren uns nicht vermitteln können, auf welche Art und Weise auch immer, scheitern wir. […] Wir, die Kreativen, wir können unsere Sache, unsere kleine, private Wirklichkeit, die BILDER, die wir transportieren wollen, nicht nur mit uns allein ausmachen. Es geht in dieser Angelegenheit niemals nur um das ICH des schöpferisch Tätigen – und sei dieses ICH noch so egozentrisch, solipsistisch, autistisch. Es geht bei der Herstellung und Vermittlung von Bildern immer auch um DIE ANDEREN, die Betrachter oder die Zuhörer.“
Roland Schimmelpfennig beim Vortrag im Festsaal des Saarbrücker Rathauses am 15.01.2013 [(c) Bernadette Birgfeld]
Roland Schimmelpfennig signiert seine Bücher nach dem Vortrag im Festsaal des Saarbrücker Rathauses am 15.01.2013 [(c) Bernadette Birgfeld]
Der Vortragstext kann nachgelesen werden in:
Roland Schimmelpfennig: Ja und Nein. Drei Vorträge.
Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik.
Berlin: Theater der Zeit 2014.